Aufeinander abgestimmte Abdichtungskonzepte für druckwasserdichte Tunnel
Druckwasserdicht in geschlossener Bauweise konzipierte Tunnel sind in der Regel mit einem Abdichtungssystem aus Kunststoffdichtungsbahnen (KDB) ausgestattet oder werden als wasserundurchlässige Betonkonstruktion geplant. Vor und nach Einbau des Innenschalbetons können grundsätzlich Undichtigkeiten entstehen, die mit den richtigen Systemen nachträglich gezielt abgedichtet oder von vornherein vermieden werden können. Dieser Beitrag bezieht sich vor allem auf Tunnel mit einem Abdichtungssystem aus KDB. Die hier beschrieben Lösungen und Maßnahmen können ebenfalls für andere Abdichtungskonzepte im Tunnelbau interessant sein.
- Götz Tintelnot, TPH Bausysteme GmbH, Hamburg/Germany
- Dipl.-Ing. Marc Meissner, M.BC., Arbeitskreis Tunnelabdichtung e.V./Association for Tunnel Waterproofing, Bückeburg/Germany
- Andreas Leckeband, Meister-Kunststoffprofile GmbH, Witten/Germany
- Dipl.-Ing. Sebastian Schwaiger, Müller+Hereth, Ingenieurbüro für Tunnel- und Felsbau GmbH, Freilassing/Germany
Um die volle Funktionsfähigkeit eines Tunnelbauwerks für mindestens 100 Jahre zu ermöglichen ist es sinnvoll verschiedene Abdichtungssysteme einzusetzen, die aufeinander abgestimmt sind beziehungsweise die sich gegenseitig ergänzen. Ein durchdachtes Abdichtungskonzept verhindert dauerhaft das Eindringen von zum Teil aggressiven Bergwässern, schützt die Innenschale und damit die tragende Konstruktion. Häufig treten Undichtigkeiten in der KDB bereits in der Bauphase oder kurz darauf auf. Die Ursachen können sehr unterschiedlich sein.
Aufbau der Kunststoffdichtungsbahn
Der grundsätzliche Schichtenaufbau eines Abdichtungssystems mit KDB ist im Bild 1 dargestellt:
Während des Betonierens der Innenschale wird die KDB gegen den Abdichtungsträger aus Spritzbeton (1) gedrückt. Zum Schutz wird ein mechanisch verfestigter Vliesstoff (2) mit einem Flächengewicht von mindestens 900 g/qm als bergseitiges Schutzgeotextil verwendet. In druckdichten Tunneln werden mindestens 3 mm dicke KDB verwendet (3). Sie sind luftseitig mit einer hellen Signalschicht ausgestattet um Beschädigungen schnell zu finden und die Lichtverhältnisse im Tunnel während der Verlegearbeiten zu verbessern. Da die KDB das Hauptdichtungselement darstellt, muss bei Auswahl und Einbau auf grösste Sorgfalt geachtet werden. Nach Verlegung werden die Kunststoffdichtungsbahnen mit Schweissmaschinen miteinander verschweisst. Die Nähte werden als prüfbare Doppelnähte mit Prüfkanal ausgeführt, die im Nachgang mittels Luftdruckprüfung auf ihre Dichtigkeit untersucht werden. Um ein besseres Abdichtungsergebnis zu erhalten sollten möglichst auch in Verschneidungs- und Nischenbereichen automatengeführte Doppelnähte ausgeführt werden.
Ein Tunnel kann entweder rundum durch eine Kunststoffdichtungsbahn (KDB) abgedichtet werden oder von vornherein als wasserundurchlässige Betonkonstruktion konzipiert sein. Die wichtigsten Abdichtungssysteme für die geschlossene Bauweise sind in Tabelle 1 aufgeführt [1]. Für das Material kommen weichmacherhaltiges Polyvinylchlorid (PVC-P) oder weichmacherfreie Polyolefine zum Einsatz. Eine sorgfältige Prüfung des Abdichtungsmaterials sollte im Hinblick auf die Langzeitbeständigkeit und die Unbedenklichkeit bezüglich der Umwelt durchgeführt werden. Um eine später mögliche Kontamination von Bergwässern auszuschliessen sollten die Empfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) beachtet werden [2]. Spezifische Eigenschaften aller Materialien werden insbesondere für den deutschen Tunnelbau in der ZTV-ING TL/TP definiert [3/4].
Mögliche Schäden
Bei einer glatten Aussenseite der Ortbetoninnenschale halten Kunststoffdichtungsbahnen der zusätzlichen Belastung durch Wasserdruck von aussen problemlos stand. Untersuchungen an undichten Tunneln haben jedoch gezeigt, dass die Aussenseite der Ortbetoninnenschale nicht immer durchgehend glatt hergestellt werden kann. Dies kann an der Betonrezeptur oder auch an der
Verarbeitung liegen. Das kann zum Beispiel passieren, wenn die Innenschale nicht ausreichend und in vollem Volumen ausbetoniert wird. Durch hohe Bewehrungsgehalte, grosse Innenschalendicke, schlecht verarbeitbaren Beton, Unterbrechungen während der Betonage oder im Beton vorhandene Luftblasen erhöht sich diese Gefahr.
Da die Aussenseite der Ortbetonschale nicht kontrollierbar ist können schädliche Fehlstellen nicht erkannt werden. Der nach dem Einbau wieder anstehende Wasserdruck belastet die KDB und drückt sie gegen die raue Aussenseite der Innenschale oder sogar auf freiliegende Bewehrung. Dabei können Beschädigungen auftreten. Eine Überprüfung der Aussenseite der Ortbetoninnenschale ist im Nachhinein nicht möglich.
Firstspaltverpressung durch Injektionsschläuche
Eine wichtige Maßnahme ist der Verschluss des Firstspaltes, der durch das Absetzen des Betons nach dem Betonieren oder durch das unvollständige Verfüllen des Tunnelblocks entsteht. Als eine Ergänzung oder Variante des in der ZTV-ING vorgeschriebenen Systems kann die Hinterlegung des Innenschalenblocks mit Injektionszement erfolgen. Über Verpressstutzen und einen im Firstbereich installierten Injektionsschlauch werden Fehlstellen verfüllt (Bild 1, Bild 3). Die Grundidee hierbei ist die Sicherstellung einer vollständig ausbetonierten Innenschale bevor der bergseitige Wasserdruck die KDB auf die Aussenseite der Innenschale drückt.
Bei der Wahl des Injektionszements und des Injektionsschlauchsystems sollte auf eine zuverlässige Verarbeitbarkeit geachtet werden damit alle Bereiche des Firstspalts sowie Hohlräume und Betonierschatten sicher verpresst werden können. Eine Kombination aus Injektionszement und dem VPRESS Injektionsschlauch wurde z. B. durch die Gesellschaft für Materialforschung und Prüfungsanstalt für das Bauwesen (MFPA) Leipzig geprüft und die Injizierbarkeit eines 30 m langen Abschnitts nachgewiesen [5/6]. Dieses System beugt möglichen Schäden vor, die entstehen können wenn der Wasserdruck die KDB auf unebene Flächen im Firstbereich oder schlimmstenfalls auf freiliegende Bewehrung drückt.
Fugenbänder ermöglichen Abschottung von Leckagestellen
Fugenbänder werden meist aussenliegend im Arbeitsfugenbereich eingesetzt. Mit Handschweissgeräten werden sie direkt auf die fertig installierte Kunststoffdichtungsbahn geschweisst und sind deshalb aus dem gleichen Kunststoff wie die KDB. Bei wasserdruckhaltenden Abdichtungen ist ein mindestens 0,60 m breites 6-stegiges aussenliegendes Fugenband (Bild 4) zu verwenden. Das Fugenband ist an beiden Rändern mit einer mindestens 30 mm breiten Fügenaht auf die zuvor verlegten und gefügten KDB aufzuschweissen. Die Verbindung muss so fest sein, dass ein nachträgliches Ablösen des Fugenbandes von der Abdichtung ausgeschlossen ist. Die Verschweissung der Fugenbänder mit der KDB sollte in jedem Fall nachrangig zu der Verschweissung der Kunststoffdichtungsbahnen untereinander sein und darf die Abdichtungsebene der KDB nicht unterbrechen oder zu erhöhten Baustellennähten der KDB führen.
Im Vergleich zu früheren Ausführungsmethoden stellen Fugenbänder mit zusätzlichen Verpressschläuchen einen wesentlichen Vorteil dar. Die grosse Fugenbandbreite bietet ausreichend Raum zum Einbau der Stirnschalung zwischen den Stegen. Zudem kann durch die Injektionsmöglichkeit eine dichte Einbindung der Fugenbänder in den Innenschalenbeton gewährleistet werden (Bild 5, Bild 6).
Ihre Hauptfunktion besteht darin, die Dichtebene KDB in abgegrenzte Felder zu unterteilen. So lässt sich die Leckage bei einer Undichtigkeit eingrenzen und gezielt sanieren. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Segmentierung beziehungsweise Abschottung durch aussenliegende Arbeitsfugenbänder im Blockfugenbereich. Nach Betonage der Innenschale werden die Fugenbänder aktiviert, d. h. mittels Zementsuspension nachbetoniert. Danach kann der entsprechend lokalisierte Block vollflächig nachgedichtet werden. Hierbei werden aufgrund ihrer hohen Viskosität vorwiegend Acrylatgele verwendet. Die Injektionsschläuche sind mit Verpresszement und Acrylatgel mehrfach verpressbar.
Auf diese Weise lassen sich Undichtigkeiten durch Wasseraustritte eingrenzen. Bei Undichtigkeit der Dichtungsbahn soll mit diesem System die Möglichkeit geschaffen werden, das jeweils schadhafte Dichtungsfeld durch Verpressen z. B. mit Kunstharz oder Acrylatgel abzudichten.
Fazit
Wie sich ein Abdichtungskonzept zusammensetzt hängt ab von den Auflagen des Umweltschutzes, der zu erwartenden chemischen Beschaffenheit des Bergwassers, Hydrologie und Geologie, dem Bemessungswasserdruck und den späteren Nutzungsanforderungen an das Bauwerk.
Um ein dauerhaft voll funktionstüchtiges Tunnelbauwerk zu ermöglichen ist es sinnvoll planmäßig verschiedene Abdichtungs- und Injektionssysteme aufeinander abzustimmen. Durch ein flexibles Abdichtungskonzept können auftretende Undichtigkeiten oder Beschädigungen in einem ökonomisch sinnvollen Rahmen minimiert oder behoben werden.
Literatur
- [1] Arbeitskreis Tunnelabdichtung e.V., http://www.akta-ev.de/de/tunnelsysteme/system1.html
- [2] Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), http://www.bfr.bund.de
- [3] ZTV-ING Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten, Teil 5: Tunnelbau, Bundesanstalt für Strassenwesen (BAST), Bergisch-Gladbach, 2007
- [4] NAUE GmbH & Co.KG, Tunnel Construction, 2008
- [5] TPH Bausysteme GmbH: Technisches Datenblatt Injektionszement
- [6] TPH Bausysteme GmbH: Technisches Datenblatt VPRESS
Bildunterschriften
- Bild1: Aeschertunnel, Zürich (Quelle: TPH)
- Bild2: Schichtenaufbau eines Abdichtungssystems mit KDB: 1 = Spritzbeton, 2 = Vliesstoff, 3 = Kunststoffdichtungsbahn (Quelle: TPH)
- Bild3: Injektionsschlauch im Firstbereich (Quelle: TPH)
- Bild4: 6-stegiges aussenliegendes Fugenband (Quelle: Meister-Kunststoffprofile GmbH)
- Bild5: Anordnung der Fugenbänder (Quelle: TPH)
- Bild6: Fugenbänder und Injektionsschläuche im Firstbereich (Quelle: TPH)
- Tabelle 1 (Quelle: Arbeitskreis Tunnelabdichtung e.V.)